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Bio im Handel: im Wandel?

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„Bio schafft Zukunft“, behaupten zum Gähnen langweilig die Gastgeber im Slogan der „Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel“, die ab morgen für vier Tage in Nürnberg stattfindet. Dabei geht diesmal ausgerechnet Deutschland durch als „Land des Jahres“ bezüglich des vermutlich vorbildlichen Ziels „Building an organic future“ (baof?).
Hiesige Medien meinen deshalb im Vorfeld den Markt und das Marketing rund um diese Branche rauf und runter beten zu müssen. Der richtige Zeitpunkt also auch für dieses Portal der Wahrheit, die Fakten zu checken, wie’s heute so schön heißt, anlässlich dieses „wichtigen Geschäftstermins und emotionalen Branchenevents“, was die Messeveranstalter glatt schriftlich zugeben. Zum traumhaften Wunsch des Wirtschaftszweiges, als Kombi aus Geschäft und Gefühl wahrgenommen zu werden, passt leider überhaupt nicht das vernichtende Urteil der klugen Hausfrau oben im Film. Scharfen Kritikern ist zur Wahrheitsfindung aber hier auch Raum zu reservieren, selbst wenn ihnen wie dieser Tauschfrau das Lesen „ekelhaff“ schwer fällt.

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Bio…

Bombige Bioauslage. Aber warum nur sind so viele Obst-Gemüse-Abteilungen in Supermärkten und Discountern dermaßen depremierend trostlos? Foto: Helene Souza, pixelio.de

Grundsätzlich gilt es zu hinterfragen, ob hierzulande überhaupt über Bio beziehungsweise allgemein über die Qualität von Nahrungsmitteln gesprochen werden darf, da dafür nur ein Minibruchteil der monatlichen Mampfausgaben verwendet wird. Das ermittelte Dr. Christian Haubach an der Hochschule Pforzheim kürzlich beim Erforschen von Bio-Kosten. Danach stehen allgemein die Ausgaben für Lebensmittel nicht an oberster Stelle. Zweitens entfallen konkret „nur etwa 10 Prozent der monatlichen Durchschnittskosten“ aufs Essen, so dass selbst der Wissenschaftler nahezu depremiert gestehen muss: „Das ist im weltweiten Vergleich sehr wenig.“ Die Kaufzurückhaltung klingt konsequent, wenn die Studie schließlich zum Schluss kommt: Biolebensmittel seien im Schnitt um 70 Prozent teurer als konventionelle, wobei für Fleisch sogar 87 Prozent mehr zu zahlen sind.

Die Berichterstattung der vergangenen Tage widmet sich insbesondere der Verteilung von Bio-Lebensmitteln auf die Handelsformate in den Regalen von Supermärkten und/oder dem Naturkostfachhandel. Bio finde sich nämlich immer häufiger bei Aldi, Lidl, Rewe und Edeka. Noch leide der Fachhandel darunter nicht, steht im „Handelsblatt“: Obwohl nur ein Drittel der Umsätze mit Bio in die Kassen jener 2.500 deutschlandweiten Fachläden fließt, die ausschließlich solche Waren führen. Das waren 3,21 Milliarden Euro, wobei der Zuwachs mit 5,6 Prozent nicht mehr so hoch ausfiel wie im Vorjahr, in dem die Branche ums Doppelte zulegte. Selbst Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN), räumt ein, dass dies womöglich „am zunehmenden Angebot an Bioprodukten in Supermärkten und bei Discountern“ zusammenhängt. Schließlich flossen zwei Drittel der neun Milliarden Euro für Naturkost und Naturwaren in den Jutesack des konventionellen Lebensmittelhandels.

Riesenpeperoni oder Minirad: Kauft man Bio nur noch per pedes oder per velo? Foto: Klaus-Uwe Gerhardt, pixelio

Bio in aller Munde?

„Bio ist in aller Munde“, berichten gewohnt vollmundig „die essensretter“ von „foodwatch“ und präsentieren „Zahlen, Daten, Fakten“ gegen „Die Mär vom Bio-Boom“: Danach sind nur neun Prozent aller unserer Landwirtschaftsbetriebe auch Bio-Höfe. Bio-Produkte kamen auf 4,4 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes 2015 in Deutschland, während die Dänen den höchsten Bio-Anteil mit 7,6 Prozent am Umsatz ausgaben, gefolgt von den Schweizern mit 7,1 Prozent. In absoluten Zahlen zahlten deutsche Verbraucher pro Kopf 97 Euro im Jahr 2014 für ökologisch produzierte Lebensmittel. Ebenfalls in absoluten Zahlen sei Deutschland zwar der größte Bio-Markt in Europa, doch beim pro-Kopf-Umsatz liegen andere Länder vorne: Das meiste Geld geben Schweizer mit 222 Euro für Öko-Produkte aus. Europäer im Schnitt kaufen für rund 37 Euro pro Jahr Bio-Lebensmittel ein.

Bio-@-Zeichen nach EU-Norm. Foto: SueSchi, pixelio

Nach Warengruppen betrachtet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft in seinem Bericht „Die Bio-Branche 2016“ die Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaftssparten in Millionen Euro: Milch, Getreide, Eier, Gemüse liegen danach auf den ersten vier Plätzen, gefolgt von Rindfleisch, Wein, Obst, Schweinefleisch (bon appétit!). Seltsamerweise finden sich auf weiteren Rängen auch „Baumschulen“ und „Zierpflanzen“. Interessant ist noch ein Blick auf die Entwicklung der Erzeugerpreise am Beispiel unserer täglichen Milch: Während konventionell gewonnene Kuh-Fettflüssigkeit pro Kilo in Cent innerhalb von zwei Jahren von mehr als 40 auf deutlich unter 30 Cent rutschte, zeigt die Übersichtstabelle für Bio-Milch im Betrachungszeitraum einen Anstieg von mehr als 40 Cent auf annähernd 50 Cent. Bei einem Großteil der Bio-Lebensmittel sei das Wachstum „vorrangig mengengetrieben“, heißt es in dem Bericht. Die Preise hätten zwar angezogen, der gestiegene Umsatz sei aber vor allem auf größere Verkaufsmengen zurückzuführen. Anders gesagt: Die Chancen witternden Lebensmittelketten füllten ihre Supermarkt- und Discounterregale mit neuen Bio-Produkten, wodurch herausragendes Umsatzwachstum zustande kam ausgerechnet für Mehl, Speiseöl und – genau: Quark.

Klischees und Orientierung für Kunden

Dann fehlt jetzt nur noch zu Bio-Klischees rund um nachhaltigen, fairen und blitzsauberen Anbau und Handel der gefeierte BAP-Gassenhauer mit dem lustig gemeinten Songtext vom „Müsli Män“. Mahlzeit!
Solange Kunden indes ein 18-semestriges Studium benötigen, um Siegel richtig beurteilen zu können von Bio über Fairtrade, FSC und MSC, PEFC und UTZ oder auch das V des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU) – stinkt die Marktorientierung der Macher, mit Verlaub, wie Abfall.

Bio-Bauchnabel von Mister Pumpkin. Foto: Lichtkunst73, pixelio

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